Was passiert bei ungenau formulierten Testamenten?

Oftmals sind letztwillige Verfügungen, insbesondere handschriftliche Testamente von juristischen Laien, ungenau oder mehrdeutig. Nach dem Tod des Erblassers ist dann häufig nicht eindeutig, was genau mit der letztwilligen Verfügung gemeint war. In solchen Fällen muss das Testament ausgelegt werden, was besonders wichtig für die Beantragung eines Erbscheins ist. Unterschiedliche Personen können zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Auslegung kommen.

Auslegungsregeln im Erbrecht

Es gibt spezifische Auslegungsregeln im Erbrecht, die einem festen Muster folgen:

  1. Wirksamkeit des Testaments: Zunächst können nur Testamente ausgelegt werden, die wirksam errichtet wurden. Bei handschriftlichen Testamenten führt die Nichteinhaltung der Formerfordernisse zur Unwirksamkeit des gesamten Testaments.
  2. Ermittlung des wahren Willens: Liegt ein wirksames Testament vor, muss der wahre Wille des Erblassers ermittelt werden. Dies geschieht durch erläuternde Auslegung, bei der untersucht wird, was der Erblasser mit seiner Erklärung tatsächlich ausdrücken wollte. Dabei werden juristische Fachbegriffe, der allgemeine Sprachgebrauch des Erblassers und seine intellektuellen Fähigkeiten berücksichtigt.

Erläuternde und ergänzende Auslegung

  • Erläuternde Auslegung: Oftmals verwenden Laien Begriffe wie „vermachen” anstelle von „vererben” und wollen damit eine andere rechtliche Bedeutung ausdrücken. Der Zeitpunkt der Testamentserrichtung und äußere Umstände, die sich aus weiteren Schriftstücken ergeben, sind ebenfalls entscheidend. Die Andeutungstheorie besagt, dass das gefundene Auslegungsergebnis zumindest im Wortlaut der letztwilligen Verfügung eine Andeutung finden muss.
  • Ergänzende Auslegung: Diese wird angewendet, wenn Lücken im Testament vorliegen, die der Erblasser nicht bedacht hat. Beispielsweise kann dies der Fall sein, wenn der Erblasser seine Kinder als Erben eingesetzt hat, jedoch nach Errichtung des Testaments ein weiteres Kind hinzugekommen ist, von dem er nichts wusste. Hier wird der mutmaßliche Wille des Erblassers erforscht, was er gewollt hätte, wenn er die Umstände bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung gekannt hätte. Wenn der Erblasser von den Umständen wusste, aber die Lücke im Testament bewusst nicht geschlossen hat, kommt eine Auslegung nicht in Betracht.

Gesetzliche Auslegungsregeln

Es gibt spezielle gesetzliche Auslegungsregeln für Testamente, die in verschiedenen Paragraphen des BGB festgelegt sind, beispielsweise:

  • § 2067 BGB: Regelungen zur Erbeinsetzung.
  • § 2069 BGB: Regelungen bei Wegfall eines eingesetzten Erben.
  • § 2087 BGB: Vermächtnisse und Erbeinsetzungen.
  • § 2269 BGB: Erbfolge bei gemeinschaftlichen Testamenten.

Beratung und Unterstützung

Unsere Kanzlei bietet umfassende Beratung zur Auslegung von Testamenten. Wir helfen Ihnen, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln und rechtliche Unsicherheiten zu klären, um eine faire und rechtssichere Umsetzung des Testaments zu gewährleisten.


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